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Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie, Bd. 45, Heft 3, 1998



Paul Hoyningen-Huene: Formale Logik. Eine philosophische Einführung. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 1998. 335 S. (Universal-Bibliothek Bd. 9692).

Paul Ruppen: Einstieg in de formale Logik. Ein Lern- und Übungsbuch für Nicht-mathematiker. Bern e.a.: Peter Lang 1996. 368 S. -

Theodor G. Bucher: Einführung in die angewandte Logik. Zweite, erweiterte Auflage. Berlin, New York: de Gruyter 1998. 530 S. (Sammlung Göschen Bd. 2231).

Im Folgenden werden drei neuere Einführungswerke besprochen, deren Autoren sich mit verschiedenen Aspekten der formalen Logik befassen. Paul Hoyningen-Huene beleuchtet vor allem philosophische Probleme, Paul Ruppen bietet viel Übung im Umgang mit Formeln, und Theodor G. Bucher legt das Schwergewicht auf Anwendungen. Alle drei Werke bieten sich für das Selbststudium an: Sie enthalten Hinweise auf weiterführende Literatur und Aufgaben, zu denen auch gleich die Lösungen mitgeliefert werden.

Paul Hoyningen-Huene hat formale Logik in den vergangenen 22 Jahren in Vorlesungen an den Universitäten Zürich, Bern und Konstanz behandelt. Grundlage der nun vorliegenden Formalen Logik. Eine philosophische Einführung bildet eine Vorlesungsmitschrift von 1983/84. Dem Buch ist seine lange Entstehungszeit gut bekommen: Der Inhalt ist konzentriert, und die Formulierungen sind überall klar. Das Werk gliedert sich inhaltlich in vier Teile. Die Einführung macht anhand von Beispielen mit den Merkmalen logischer Schlüsse vertraut. Dieses Thema wird im zweiten Teil im Bereich der Aussagenlogik, im dritten Teil im Bereich der Prädikatenlogik vertieft. Dabei führt Hoyningen-Huene jeweils zuerst das Zeichensystem auf der Objektebene ein (Logik), um es dann von der Metaebene aus zu betrachten (Metalogik). Ausführungen zum mathematischen Zugang zur Aussagenlogik schließen das Werk ab. Als einziges der drei Bücher verfügt es über kein Register. Die Lösungen zu den Übungen sind von Christopher v. Bülow verfaßt.

Hoyningen-Huene möchte gemäß seinem Vorwort (10) zeigen, wie eine Einführung in die formale Logik aussehen kann, welche die philosophischen Probleme der Logik nicht überspringt. Dieses Ziel ist ihm so ausgezeichnet gelungen, daß das Buch es verdient, zu einem Standardwerk zu werden. Obwohl sich der symbolische Apparat auf ein Minimum beschränkt, ist das technische Niveau hoch: Die Leserschaft wird keine Anschlußschwierigkeiten haben, wenn sie dem Rat von Hoyningen-Huene folgt und sich für Beweisverfahren in der Prädikatenlogik bei der mathematischen Logik bedient - bedienen muß, denn Hoyningen-Huene übt nicht die Anwendung formaler Techniken ein, sondern geht philosophischen Motivationen nach.

Zu den "notorischen Problemen der Logik-Einführung" (10) zählt Hoyningen-Huene die Begriffe der logischen Form und der logischen Folgerung (materiale Implikation und ihre Paradoxien) sowie das Verhältnis von Objekt und Metaebene in der Logik (Rechtfertigungszirkel und Fragen der Adäquatheit). Bezüglich der logischen Form hält Hoyningen-Huene erst fest, daß die Abgrenzung gegenüber dem Inhalt vom verfolgten Zweck abhängt (25f.). Die Definition der aussagen- bzw. prädikatenlogischen Form (58, 197) macht dann den Schritt zur symbolischen Darstellung der Form leicht und einsichtig. Den Paradoxien der Implikation ("ex falso quodlibet" und "verum ex quodlibet") wird in bezug auf logische Wahrheiten und Falschheiten versuchsweise mit Hilfe des Begriffs des "Wahrheitstransfers" zu Leibe gerückt (122). Ausgenutzt wird dabei die Beobachtung, daß kein Wahrheitstransfer von den Prämissen zur Konklusion stattfinden kann, wenn die Prämisse in jedem Falle falsch oder die Konklusion ohnehin richtig ist, wie das bei diesen Paradoxien vorausgesetzt wird (120). Indem Hoyningen-Huene Stärken und Schwächen dieses Ansatzes bespricht (und auch die involvierte Metaphorik kritisiert, 16) setzt er eine jener Grundlagendiskussionen in Gang, welche den eigentlichen Wert des Buches ausmachen. In der Frage des bei der Begründung der Logik auftretenden Argumentationszirkels zeigt sich Hoyningen-Huene als Gegner einer absoluten Begründungsstrategie:"Man wird ... in der Beobachterlogik gewisse Schlußregeln unterstellen müssen, damit das Unternehmen der Objektlogik überhaupt in Gang kommen kann" (162f.).

Paul Ruppen hat das Material seines (Lern- und Übungsbuches" in universitären Veranstaltungen und Erwachsenenbildungskursen erprobt. Gemäß seinem Untertitel ist der Einstieg in die formale Logik für "Nichtmathematiker" gedacht. Damit meint Ruppen Studierende, welche sich zwar "selten oder nie mit mathematischen Problemen befassen", sich aber nichtsdestoweniger ein Bild über die "Grundlagen und Grenzen formaler Systeme" machen wollen (5). Was bei Hoyningen-Huene in seiner Knappheit für einige vielleicht zu schemenhaft bleibt, gewinnt hier in zahlreichen Übungen konkrete Gestalt. Ruppen verfehlt es nicht, auf philosophische Probleme einzugehen, die Stärke des Buches sind aber die ausführlichen Erläuterungen technischer Einzelheiten und die vielen Übungen, unter ihnen manche Anwendungsbeispiele. Wer sich etwa dafür interessiert, was ein Symbol ist, erhält als Antwort: " ... eine Klammer oder ein Junktor oder ein Satzbuchstabe" (82). Dies ist für philosophische Bedürfnisse natürlich zu dürftig, genügt aber durchaus, um den Begriff der "wohlgeformten Formel" zu bestimmen (83).

Ruppen stellt in einem ersten Teil die Aussagenlogik anhand von einfachen Beispielen vor und gibt dann im zweiten Teil ihren systematischen Aufbau. Die Prädikatenlogik vervollständigt das logische Instrumentarium, im vierten Teil folgen dann Ausführungen zur Mengenlehre. Ruppen führt dabei didaktisch geschickt Beweise in der Mengenlehre als eine erste Anwendung der Prädikatenlogik vor. Mit Hilfe der Mengenlehre erhält die Prädikatenlogik auch eine Semantik, so daß Ruppen sein Buch mit der Vorstellung der Tarskischen Wahrheitsdefinition abschließen kann. Er ist dabei der Meinung, daß damit auch ein präziser Wahrheitsbegriff für "die alltägliche Verwendung des Wortes ‚Wahrheit' gegeben ist, insofern sich die Sätze der Umgangssprache "ohne große Meinungsverschiedenheiten in die Sprache der Prädikatenlogik übersetzen" lassen (271, meine Hervorhebung). Anhand dieser Einschränkung könnte nun die Grenze des vorgestellten formalen Systems prinzipiell besprochen werden, wie dies im Vorwort in Aussicht gestellt und etwa von Jean van Heijenoort vorbildlich kurz eingelöst wird ("Set-Theoretic Semantics", in R. Gandy/M. Hyland, Hgg., Logic Colloquium 76, North-Holland 1977, 183-190). Ruppens Bemerkungen beschränken sich diesbezüglich aber auf Erläuterungen der von ihm vertretenen "instrumentalistischen Sicht" der Logik (vgl. 148-154).

Der Umstand, daß es sich um ein Einführungswerk handelt, relativiert die eben geäußerte Kritik. Die Leserin oder der Leser findet eine adäquate Darstellung des heutigen Selbstverständnisses formaler Logiker, das sich auch weitgehend mit dem von Hoyningen-Huene vermittelten deckt. Nur in einem Punkt drängt sich mir ein Einspruch auf Wenn Ruppen behauptet, "ein von Gottlob Frege als einleuchtend betrachtetes Axiom der Mengenlehre" habe zu einem Widerspruch geführt (148, meine Hervorhebung), dann unterschlägt dies die Tatsache, daß Frege sein Grundgesetz V nach Bekanntwerdung der Russellschen Antinomie wie folgt kommentierte: "Ich habe mir nie verhehlt, daß es nicht so einleuchtend ist wie die andern und wie es eigentlich von einem logischen Gesetze verlangt werden muß" (Grundgesetze der Arithmetik, Bd. 2, 1903, 253). Der Verweis auf Frege belegt also mit nichten, daß "Intuitionen nicht verläßlich sind", wie Ruppen - in Einklang mit der herrschenden Meinung - schreibt (148).

Der Kalkül, den Paul Ruppen benutzt, gehört zu den heute dominierenden Systemen des "Natürlichen Schließens" und geht auf E.J. Lemmon, Beginning Logic (1965) zurück (S.6). Wer sich ein modernes logisches System als Kalkül gründlich aneignen möchte - und das geht eben nicht ohne Übungen - findet auf dem deutschen Markt zur Zeit keine bessere Alternative zu Ruppens Buch.

An ein ganz anderes Zielpublikum wendet sich Theodor G. Bucher. Seine Einführung in die angewandte Logik richtet sich an "sogenannte Geisteswissenschaftler"(3) und somit an solche, denen ein mathematischer Formalismus nicht das höchste Ziel der Theoriebildung ist. Bucher, heute Professor an der Universität Sant' Anselmo in Rom, hat seinen Text in Anfängervorlesungen an der theologischen Hochschule Chur erprobt. Die Tatsache, daß elf Jahre nach der ersten Auflage eine um 122 Seiten vermehrte zweite Auflage erscheint, belegt wohl das Bedürfnis nach einer Darstellung, "die kaum mehr als den Umgang mit den Elementarbegriffen einübt" (3). Leider sagt sie aber nichts darüber aus, wie dieses Bedürfnis gestillt wird.

Ein Autor, der eine Einführung schreibt, ist gegenüber seiner Leserschaft in ganz besonderer Weise verantwortlich, geht dieser doch die Kritikfähigkeit in großem Maße ab. Ich will an zwei Beispielen zeigen, daß Bucher dieser Verantwortung nicht gerecht wird und deshalb das Buch trotz aller Vorzüge nicht empfohlen werden kann. Zu den Pluspunkten gehört ein reichhaltiger Lösungsteil (mit 27% Anteil am Gesamtwerk, gegenüber Ruppen mit 21% und Hoyningen-Huene mit 17%), ein flüssiger Stil und eine übersichtliche Darstellung, die auch die aristotelische Logik und die Modallogik umfaßt - beides Bereiche, die von Hoyningen-Huene überhaupt nicht und von Ruppen nur am Rande behandelt werden.

Geht man aber ins Detail, dann offenbaren sich bedenkliche Schwächen. So behauptet Bucher beispielsweise auch in der zweiten Auflage, daß der Schluß von "M ist Teilmenge von Z" und "s ist Element von M" auf "s ist Element von Z" falsch ist (29). Es handelt sich dabei nicht um einen Druckfehler: Der angebliche "Fehlschluß" wird ausführlich kommentiert, geht es doch gerade darum, die Unterscheidung von Inklusion und Elementbeziehung zu klären. Der Grund, weshalb das oben aufgeführte mengenlogische Gesetz falsch sein soll, liegt nach Bucher darin, daß die Elementbeziehung im Gegensatz zur Inklusion nicht transitiv ist (vgl. 28). Das ist zwar wahr, hat aber nichts mit dem vorliegenden Fall zu tun.

Ob Bucher diese Passage korrigiert hätte, wenn ihm dies ein Rezensent vorgehalten hätte, ist nicht klar, wie folgendes Beispiel belegt. Uwe Meixner hat völlig zu Recht die Behauptung Buchers bemängelt, "daß aus "(x)Px" nicht "(∃x)Px" folgt" (2. Aufl. 226; vgl. "Neuere Einführungen in die Logik", in: Information Philosophie 1 [1996] 77). Nun hätte sich Bucher in der zweiten Auflage als Anhänger der sogenannten "Free Logic" bekennen können, bei der dieser Schluß tatsächlich unterbunden wird. Er bleibt aber dabei, daß er die Meinung der "heutigen Logiker" vertritt (226). Weil in der ersten Auflage der Schluss von der All- auf die korrespondierende Existenzaussage gemäß Buchers eigenen Quantorenregeln in zwei elementaren Schritten möglich war, korrigiert nun Bucher in der zweiten Auflage eine einzelne Schlußregel in einer Randbemerkung (222) und behält das bemängelte Beispiel bei (wir werden es weiter unten noch behandeln). Daß er von den insgesamt vier Quantorenregeln der Prädikatenlogik nur eine einzige abändert und das auch bloß nebenbei, zeigt deutlich, daß Bucher die Problematik gründlich unterschätzt. Ein Chaos ist die Folge. So soll etwa - wie in der ersten Auflage - die Regel "immer"(222) gelten, daß "wenn alle x P sind, dann ist auch ein konkretes Individuum a ein P" (221), und zugleich ist es gemäß der neuen Randbemerkung der Fall, daß eine Allaussage wahr sein kann, wenn es kein konkretes Individuum gibt, welche das Prädikat P erfüllt (vgl. 222). Dies ist ein Widerspruch.

Zur Illustration, "daß aus "(x)Px" nicht "(∃x)Px" folgt", dienen Bucher in beiden Auflagen die Aussagen "Alle grünen Schwäne sind im Basler-Zoo" und "Also gibt es grüne Schwäne im Basler-Zoo" (226). Diese stehen in der Tat nicht in einem Folgeverhältnis, ihre unterschiedliche logische Form macht sie jedoch als Beispiel für den vorliegenden Fall ungeeignet (auf Seite 213 ist zuvor sogar auf die entscheidende Differenz aufmerksam gemacht worden). Die Allaussage wird von Bucher korrekt als Konditional formalisiert: "Für alles gilt, wenn es ein grüner Schwan ist, dann befindet es sich im Basler-Zoo" (226; hier und im folgenden meine Paraphrasierungen). Von Bucher anscheinend unbemerkt, ist mit dieser Interpretation von "(x)Px" das Prädikat P bereits bestimmt, so daß der Formel "(∃x)Px" die Aussage entspricht "Es gibt etwas, das, wenn es ein grüner Schwan ist, sich im Basler-Zoo befindet". Dies ist aus demselben Grund wie bei der Allaussage wahr und stellt deshalb kein Gegenbeispiel dar. Falsch ist allerdings die Behauptung, daß es grüne Schwäne im Basler-Zoo gibt, was Bucher, wiederum korrekt, als Konjunktion formalisiert "Es gibt etwas, das ein grüner Schwan ist und sich im Basler-Zoo befindet". Doch damit steht beim angeblichen Gegenbeispiel für das Prädikat P bei Bucher also einmal ein Konditional und einmal eine Konjunktion. Dies ist ein Anfängerfehler. Der Umfang der Druckfehlerliste zur ersten Auflage (über 120 Errata) war offenbar keine genügende Warnung.

Gérard BORNET


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